Er übertrug in seinem ohne Namen erschienenen und oft nachgedruckten und nachgeahmten
Volksbüchlein weitere ältere Schwänke auf die Schwaben. Dabei zeichnete er die sieben Bauern
ausführlicher und stellte ihre vorgetäuschte Heldenart ihrer ehrlichen Angst sehr wirksam
gegenüber. Als die furchtsamen Helden mit Mutterwitz und einer gewissen Dummheit, deren Maul oft
größer ist als ihr Mut, erscheinen schwäbische Bauern schon in alten Werken. Daher sind die
“Sieben Schwaben" nicht nur eine Orts- und Stammesneckerei, sondern auch ein Spott über die
Bauern, der den Verfassern viel Spaß bereitet zu haben scheint. Dennoch müssen wir es als einen
Fortschritt werten, daß im Gegensatz zur älteren Literatur jetzt bereits auch Bauern in
verstärktem Maße zu Helden von Geschichten werden.
Dr. Friedmar Geißler
Aus: “Fortunat und seine Söhne”, sieben Volksbücher, Der Kinderbuchverlag Berlin, 1963
Die sieben Schwaben
Diese Geschichte hat sich am Bodensee zugetragen, wo die Schwaben wohnen, eintausend und etliche hundert Jahre nach der Zeitenwende. Und sie beginnt damit, daß der Seehas einmal ausging ...
Eigentlich hieß er gar nicht Seehas', sondern “Herr Schulz" und ist zuletzt ein Bannwart zu Überlingen gewesen.
Wir aber wollen ihn getrost den Seehas nennen, als der er berühmt geworden ist. Der Seehas also ging einmal aus und traf unweit Freiburg im Breisgau den Nestelschwaben an. Der stand just hinter einem Zaun und hatte soeben vollbracht, was der Seehas gerade beginnen wollte. Wie rechte Schwaben zu tun pflegen, machten sie sich sogleich bekannt, und der Seehas fragte den andern, was er für ein Landsmann sei.
“Ich bin kein Landsmann, sondern nur ein Mähnbub bei jenem Bauern, der dort den Acker pflügt", antwortete der hinter dem Zaun. Da merkte der Seehas gleich, mit wem er es zu tun hatte. So ein Dummrian ist mir gerade recht, dachte er und machte ihm den Vorschlag, er solle als sein Knecht mit ihm kommen und ihm das Bündel tragen. "Wenn ich etwas erzähle", befahl er ihm, "dann brauchst du immer nur zu sagen, daß es wahr ist."
“Woher soll ich aber wissen, was wahr und was nicht wahr ist?" fragte der Nestelschwab. Darauf der Seehas: Merk dir, Bauernlümmel, ‚Hott‘ bedeutet wahr, ‚Wist‘ nicht wahr!"
“So versteh ich's", sagte der andere und machte sich bereit, dem Herrn Schulz für einen Batzen Wochenlohn das Bündel zu tragen durch die ganze Welt und weiter.
Der Mähnbub redete wie ein Schwabe, Pfälzer oder Schweizer, wie es gerade kam, nur in keiner Sprache richtig. Er wurde aber der Nestelschwab genannt, weil er statt der Knöpfe Nesteln hatte an Janker und Hosen. Da von den Bändern meistens eins oder das andere, vor allem an den Hosen, zerrissen war, mußte er mit der einen Hand immer nachhelfen, und das war ihm so sehr zur Gewohnheit geworden, daß er auch dann an sich herumnestelte, wenn es gar nicht nötig war.
Der Nestelschwab ließ also den Bauern mit seinen Wiesen und Ackern allein und zog mit dem Seehas durch das Land, bis sie nach Bopfingen kamen.
Die Bopfinger wurden weit und breit "die Gelbfüßler" genannt. Man erzählte nämlich, sie hätten
einstmals ihrem Herzog die jährliche Abgabe an Eiern in einen Krättenwagen getan und mit den
Füßen eingetreten, damit der Herr auch genug bekäme! Und weil ihre Stiefel dabei schön gelb wurden,
erhielten sie diesen Spitznamen.
Einem von diesen Gewitzten begegneten nun die beiden, und der Seehas erzählte: Habt Ihr nicht
gehört, daß in dem großen Wald am Bodensee ein fürchterliches Tier haust, das Land und Leuten
großen Schaden tut? Es ist so groß wie eine wilde Katz, nur weit scheußlicher und gefährlicher
anzusehen. Augen hat es im Kopf, so groß wie Goldgulden! Die funkeln nicht anders als das
höllische Feuer! Und Ohren hat es ooh! nicht wahr, Landsmann?"
"Wist!" sagte der Nestelschwab.
"Hott!" rief der Seehas.
Da sagte der Nestelschwab: “‘s ist wägerle wahr", und der andere fuhr fort: “Ich beschwöre dich,
Landsmann, um des allgemeinen Besten willen, hilf uns mit Rat und Tat, getreue Gespanen aus allen
schwäbischen Gauen zu werben."
Der Gelbfüßler meinte: "Fechten kann ich zwar nicht, aber wenn's auf das Laufen ankommt, so
bring ich es fertig, den Teufel auf dem freien Feld zu fangen."
“So einen Mann können wir schon brauchen", sagte der Seehas. Darauf schlug der Gelbfüßler ein,
zog geschwind seine Stiefele an, packte sein Ränzle und ging mit ihnen.
Anfangs waren sie uneins, wohin sie sich wenden sollten, ob gegen das Ries oder die Donau.
“Wie ich gehört hab, gibt es im Ries wohl viele Gänse", meinte der Gelbfüßler, “aber ob dort
auch Menschen sind, das weiß ich nicht."
“Das Sehen kostet nichts", sagte der Seehas, “und erfahren wir nichts Neues, so erfahren wir halt
etwas Altes." Und damit gingen sie nach dem Ries.
In jener Gegend besteht die löbliche Gewohnheit, daß man täglich fünfmal ißt, und zwar fünfmal
Suppe und zweimal dazu Knöpfle oder Spätzle.
Aus diesem Grunde werden die Leute dort auch Suppen oder Knöpfleschwaben genannt, und man
erzählt, daß sie zwei Mägen hätten, aber kein Herz!
Sie klopften also bei einem solchen Knöpfleschwaben an, und der Seehas erzählte: “Habt Ihr nicht
gehört, daß in dem großen Wald am Bodensee ein fürchterliches Tier haust, das Land und Leuten
großen Schaden tut? Feurige Augen hat es im Kopf, so groß wie ein Salzbüchsle!"
“Hott!" rief der Nestelschwab. Aber der Gelbfüßler stieß dem Seehasen in die Rippen, weil er
meinte, er solle nicht so lügen. Der Seehas jedoch ließ sich nicht irre machen, sondern fuhr fort:
"Und das Ungeheuer wächst immerfort, je länger man es anlugt, und es wird so groß wie ein
Pudelhund! Darum bitten wir dich, um unserer Landsmannschaft willen, hilf uns mit Rat und Tat,
tüchtige Gesellen zu werben, die dem Untier den Garaus machen!”
Der Knöpfleschwab meinte: "Fechten ist zwar nicht meine Leidenschaft, aber wenn ihr einen braucht,
der euch Knöpfle kocht, dann geh ich mit los auf das Abenteuer."
Geschwind wurden sie des Handels einig. Der Knöpfleschwab packte Häfen und Pfannen auf und zog mit
ihnen.
Sie wendeten sich nun nach dem Lechfeld, wo der Blitzschwab zu Hause war.
Im Wirtshaus zu Meitingen trafen sie ihn bei einem Mäßle weißen Gerstenbiers; und sie hatten sich
kaum das "Gsegn Gott!" und “Dank Gott!" zugetrunken, da fing der Seehas an zu erzählen: "Habt Ihr
nicht gehört, daß in dem großen Wald am Bodensee ein fürchterliches Tier haust, das Land und
Leuten großen Schaden tut? Es ist so groß wie ein Mastochs, und Augen hat es im Kopf wie die
Mondscheibe! Dabei wächst das Tier noch immerfort, je länger man es anlugt."
"Potz Blitz!" rief der Blitzschwab, "das möcht ich einmal sehen. Ich ließ mir's beim Teufel!
einen Dreibätzner kosten!"
"Ihr könnt es umsonst sehen", sagte der Seehas. “Kommt nur mit und leistet uns Beistand bei
unserem Abenteuer!"
Der Blitzschwab besann sich nicht lange. "Fechten ist zwar mein Handwerk nicht", rief er, “aber
schimpfen kann ich wie ein Rohrspatz und fluchen auch!"
Der Seehas meinte, man könne nie wissen, wozu ein Ding gut sei; und so nahmen sie ihn mit. Der
Blitzschwab trank noch ein Kännle Branntwein, um, wie er sagte, die Magenwinde zu verteilen, die
das vermaledeite Bier mache. Und dabei sang er denn er war ein lustiger Vogel das Liedlein:
"Wo soll ich mich hinkehren,
ich dummes Brüderlein?
Wie soll ich mich ernähren,
mein Gut ist viel zu klein.
Wie wir ein Wesen han,
so muß ich bald daran;
was ich heut soll verzehren,
ist gestern schon vertan."
Darauf zogen die Gesellen weiter und kamen zum Spiegelschwaben nach Memmingen.
Zu jener Zeit waren die Fazinetle (Taschentücher) noch nicht Brauch; deshalb schlenzten die
meisten das Zeug einfach von sich weg. Andere dagegen, wie der Spiegelschwab, putzten es an den
Vorderärmel, wo es sich zum Spiegel ansetzte und bei Sonnenschein glitzerte.
Zu diesem Spiegelschwaben nun kam der Seehas mit seinen Gespanen, und er fing gleich an zu
erzählen: "Habt Ihr nicht gehört, daß am See droben ein Ungeheuer haust? Es ist so groß wie ein
Trampeltier, und Augen hat es wie Mühlsteine! Darum bitten wir dich um des allgemeinen Besten
willen, hilf uns mit Rat und Tat, das Abenteuer zu bestehen."
Der Spiegelschwab kratzte sich hinterm Ohr. “Rat kann ich schon geben", seufzte er. “Aber mit der
Tat sieht es schlecht aus, da ich nicht einmal mein Weib meistern kann, die freilich sieben Häute
hat, wie eine Memminger Zwiebel. Ich weiß aber einen, der nimmt es selbst mit dem Teufel auf,
und das ist der Allgäuer!"
Also gingen sie alle miteinander zum Allgäuer. Der war gleich bereit, obwohl der Seehas ihm das
Ungeheuer noch viel schrecklicher vorstellte als den andern, indem er sagte: "Es ist so groß wie
ein Haus und hat Augen im Kopf wie Mühlräder, die im Um und Umgehen Feuer auswerfen!"
" Bygost!" rief der Allgäuer, “'s wird halt dennoch nur ein Vieh sein, und der Mensch ist stärker
als alles Getier auf Erden."
Als die andern das hörten, bekamen sie noch einmal soviel Mut, und sie reichten sich alle
getreulich die Hand und versprachen, daß sie einander als Freunde und Landsleute in allen Gefahren
und Nöten des Leibes und der Seele beistehen wollten. Darauf beschlossen sie, erst einmal nach
Augsburg zu marschieren, um sich dort mit dem nötigen Streitzeug zu versehen.
So zogen die sieben Schwaben in die weltberühmte Stadt Augsburg ein und gingen sogleich zu dem
geschicktesten Meister allda, um sich Waffen machen zu lassen.
Der Meister führte sie in seine Waffenkammer und meinte, jeder von ihnen könnte sich dort einen
Spieß oder was ihm sonst anstand auswählen.
"Bygost!" sagte der Allgäuer. Sind das auch Spieße? So einer wär' mir just recht zu einem
Zahnstürer. Meister, für mich nehmt nur gleich einen Wiesbaum von sieben Mannslängen."
"Potz Blitz!" rief der Blitzschwab. "Allgäuer, progle dich nicht allzu sehr."
Der Allgäuer sah den Gespanen so grimmig an, als wollte er ihn mit seinen Augen durchbohren. Der
Blitzschwab aber streichelte ihm den Kautzen und meinte: "Eigentlich hast du recht, Männle und
ich weiß schon, was du sagen willst: alle sieben für einen, und nur einen für alle sieben."
Der Allgäuer verstand ihn nicht, aber er sagte: “Ja." Und den andern war's auch recht.
So wurde denn ein Spieß von sieben Mannslängen bestellt, und in einer Stunde war er fertig. Ehe
sie jedoch die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch etwas Apartes: der Knöpfleschwab einen
Bratspieß, der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf, der Gelbfüßler Sporen für seine
Stiefel damit er auch hinten gut ausschlagen könnte! Der Seehas wählte für sich einen Harnisch.
Vorsicht sei bei allen Dingen nützlich, sagte er, und des Guten könne man nie zuviel tun; denn
nutze es nichts, so schade es auch nichts.
Als der Spiegelschwab das hörte, wollte er auch einen Harnisch tragen, aber nicht vorn auf der
Brust, sondern auf dem Hintern. Der Seehas dachte, der Geselle wolle ihn foppen, aber jener
erklärte: "Merk's: Hab ich Mut und geh ich vorwärts, so brauch ich keinen Harnisch. Geht's aber
rückwärts und fällt mir der Mut anderswohin, dann ist der Harnisch. da hinten am rechten Platz."
Und so ließ er sich denn den Harnisch zurechtmachen, der, um die Wahrheit zu sagen, ein
Barbiererbecken aus der Rumpelkammer des Meisters war. Und nachdem die sieben Schwaben wie
ehrliche Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt und zuletzt noch beim Metzger am
Gögginger Tor gute Augsburger Würste eingekauft hatten, zogen sie zum Tor hinaus und ihres Weges
weiter.
Der Allgäuer, der an der Spitze ging, stimmte sein Posthörnle an und blies ein Trompeterstückle.
Hinter ihm kam der Seehas. Ihm folgte der Nestelschwab, der für ihn das Bündel auf dem Buckel
trug, und dann der Blitzschwab, der sang: “Es geht ein Butzemann im Reich herum, didum, bidi, bum.”
Dann kam der Spiegelschwab, und ganz hintennach grattelte und schnaufte mit seinen Häfen und
Pfannen der Knöpfleschwab. Und sie trugen alle zusammen, Mann für Mann, den Spieß und sahen schier
aus wie ein Wiedle gespießter Lerchen.
Sie waren aber schon eine ziemliche Weile gegangen, da fiel's ihnen erst ein zu überlegen, welchen
Weg sie einschlagen sollten, um recht geschwind an den Bodensee zu kommen und das Ungeheuer zu
erlegen.
Der Allgäuer meinte: “Gehen wir der Wertach nach. Dann kommen wir ans Gebirg und können nimmer fehlen."
Aber der Gelbfüßler sagte: “Über das Gebirg ist es ein Umweg. Folgt mir bis an den Neckar! Der
Neckar fließt in den Rhein und der Rhein in den Bodensee."
Potz Blitz!" rief der Blitzschwab. Ein braver Mann geht gradaus."
Dafür lobten ihn die andern, und sie beschlossen, gradaus zu gehen, zwischen Göggingen und Pfersen
hindurch, und weiter, immer weiter der Nase nach.
Weil die Brücke über die Wertach abseits lag, wateten sie gleich durch das Wasser und gingen
weiter über Stock und Stein, über Wiesen und Felder, durch Wüsten und Wälder, bergauf und bergab.
Da saß plötzlich eine Zigeunerin am Weg. Die hatte ein Feuer angemacht und kochte in einem Kessel
ein wunderliches Zeug durcheinander. "Knöpfle sind's nicht", meinte der Knöpfleschwab und guckte neugierig in den Topf. Der Blitzschwab schüttelte sich, als kehre sich ihm der Magen im Leibe um, und sagte, statt Pfeffer und Schmalz schwimme Mausdreck auf der schwarzbraunen Brühe. Der Spiegelschwab aber ging auf die Zigeunerin zu und forderte: "Altes Trampel, du mußt mir wahrsagen!"
Die Zigeunerin besah seine Hand und sprach:
"Wer sein Weib als Joch muß tragen,
hat von großer Not zu sagen."
“Die Blitzhex redet wahr", rief der Spiegelschwab und schob den Gelbfüßler zu ihr hin. Dem lugte
sie auch in die Hand und sagte:
“Einem, den man übermannt,
ist das Fliehen keine Schand."
Die stichelt auf meine Stiefele, dachte der Gelbfüßler, und weiß, daß ich laufen kann. Und weil
die beiden Gesellen mit der Wahrsagerin zufrieden zu sein schienen, kamen auch die anderen herzu.
Da sagte sie zum Seehasen:
"Ein Ding man leget manchem vor,
doch fragt sich, wer der größte Tor."
Zum Knöpfleschwaben:
"Was man erspart an seinem Mund,
das frißt die Katze oder der Hund."
Zum Nestelschwaben:
“Den Esel kennt man an den Ohren,
an ihrer Rede Weise und Toren."
Zum Allgäuer:
“Der Wagen wird nicht wohlgeführt,
wenn Ochsen ungleich angeschirrt."
"Bygost!" sagte der Allgäuer, "das hab ich selber schon oft gemerkt beim Mistausfahren. Die Hex
sieht einem, wägerle! durch das Herz."
Der Blitzschwab aber, der tiefer in den Hafen geguckt hatte, wollte mit der Wahrsagerin nichts zu
schaffen haben. Er stieß ihr vielmehr den Kessel um, daß die Brühe in die Glut floß und das Feuer
mit Geprassel auslöschte. Er konnte aber nicht verhindern, daß die Zigeunerin ihm voller Zorn mit
schätternder Stimme nachschrie:
“Jungfrauen Lieb ist fahrend Hab,
heut ‚Herzliebster', morgen ‚Schabab'."
Dennoch zogen die sieben Schwaben unerschrocken und beherzt singend ihre Straße weiter, bis sie an
einen Hohlweg kamen. Da lag ein großmächtiger Bär mitten auf dem Weg.
Der Allgäuer bemerkte ihn erst, als er fast mit der Nase auf ihn fiel. “Ein Bär! Ein Bär!" schrie
er, was er konnte, und stieß den Spieß aus Leibeskräften gegen das Tier. Doch das rührte sich nicht;
denn es war mausetot. Stolz und erfreut schaute der Allgäuer sich um. Da sah er seine Gesellen
alle auf dem Boden liegen. In der Meinung, sie seien auch tot und er habe sie hinterrücks mit dem
Spieß erstochen, fing er an, laut zu lamentieren. Die Gespanen aber waren vor Schreck, oder weil
sie den Spieß zu fest gehalten hatten, zu Boden gefallen. Als sie nun hörten, daß der Bär tot sei,
standen sie frisch und gesund wieder auf und stellten sich um das Tier herum.
Der eine rupfte den Bären beim Pelz, der andere steckte gar seine Hand in den Rachen, und kein
einziger fürchtete sich mehr vor dem mächtigen Tier.
Sie untersuchten es näher, und weil sie kein Loch an ihm fanden als das, welches der Bär schon bei
seinen Lebzeiten gehabt hatte, merkten sie wohl, daß er nicht erstochen worden war.
Der Spiegelschwab warf die Frage auf, woran er wohl gestorben sein könnte.
Der Knöpfleschwab sagte: "Am Hunger", der Gelbfüßler: "Vor Kälte." Und so hatte denn jeder seine
besondere Meinung. Erraten hat's aber wohl nur der Spiegelschwab, der pfiffigste unter ihnen. Der
erklärte nämlich: "Wenn nicht an irgendeinem Weh, so ist er doch am Tod gestorben."
Hierauf hielten sie Rat, was sie mit dem Bären anfangen wollten, und sie beschlossen nach langem
Hin und Her, ihm die Haut abzuziehen. Sie sollte dereinst demjenigen zuteil werden, der sich bei
dem großen Abenteuer am männlichsten hielte.
Nun wurde aber der Wald immer dichter und dichter, und auf einmal blieben die sieben Schwaben in
den Stauden stecken.
"Bygost, durch muß ich!" rief der Allgäuer, der gerade vor einem Baum stand, und er drückte und
zwängte den Spieß so plötzlich und mit Gewalt seitwärts, daß der Knöpfleschwab zwischen einem Baum
und dem Spieß fest eingeklemmt wurde.
Nun bemühten sich alle, ihren Gespanen wieder loszumachen. Mit großem Eifer zogen sie an ihm, der
eine nach oben, der andere nach unten, und links und rechts zu gleicher Zeit. Dabei kamen sie kein
Stückle vorwärts und hätten ihn beinah gevierteilt.
Endlich besann sich der Allgäuer und rief: "Bygost! Ich müßte des Teufels sein, wenn ich das Ding
nicht meistern könnte!" Und er sagte: "Hü Ochs!" Damit packte er den Baum, der das arme Opfer
einzwängte, und riß ihn mitsamt den Wurzeln aus, daß es krachte.
Da schnellte der Knöpfleschwab los und plumpste hin, als sollte er in den Boden eingerammt werden.
Die Gespanen aber bekamen nun erst rechten Respekt vor dem Allgäuer, den sie sonst für tappet und
talket gehalten hatten. Und wer das Stücklein nicht glauben will, der mag selbst nachschauen in
dem Wald, wo es sich zugetragen hat. Der ausgerissene Baum soll noch heute an derselben Stelle
liegen.
Die sieben Schwaben zogen weiter und begegneten in der Gegend von Schwabeck einer schönen
Bauerntochter. Die stach ihnen allen sogleich in die Augen, aber dem Blitzschwab gefiel sie am
meisten. "Potz Blitz!" sagte er, “das Mädle muß ich anreden." Und er ging auf sie zu und fragte
sie, wie sie heiße.
“Ich heiße Käther und bin aus der Grafschaft Schwabeck", antwortete sie. Dabei lugte sie ihm
freundlich ins Gesicht; denn der Blitzschwab war kein übler Kerl. "Magst mich nicht heuren?"
fragte er. Das Mädle lachte. “Ja, wenn die Mannsleut einmal so fäsig sind wie die Pfeffernüsse",
sagte sie. Darauf er: "Ach, gib mir nur gleich ein Schmätzle!'' Die Jungfer aber bot ihm statt des
Kusses eine Ohrfeige feil. Nun merkte der Blitzschwab wohl, daß es ihr damit nicht ernst war, und
er nahm sie bei der Hand und fragte, ob er denn gar keine Hoffnung haben dürfte, wenn er
wiederkäme. Dabei streichelte er sie und schmeichelte und nannte sie Schatzhauser, Herzkäferle
und Skapulierläusle und schwätzte allerhand närrisches Zeug, wie verliebte Leute zu tun pflegen.
Endlich wurde es dem Mädle aber zuviel. Es wandte sich und,rief, er solle ihr den Buckel
runterrutschen. Doch schaute sie sich noch einmal um, ehe sie fortging, und meinte: "Nichts für
ungut."
So wurde der Blitzschwab brav heimgeschickt, und es war zwar grob, was sie gesagt hatte, aber
nicht bös gemeint. Und die Gesellen stimmten alle darin überein, daß sie wunderschön sei, wie es
denn alle schwäbischen Mädle sind, ausgenommen die wüsten.
Der Allgäuer selbst gab zu: “Bygost! Wenn das Föhle aus dem Allgäu wär, ich wüßt nicht, was ich
tät.''
Dem Blitzschwaben aber wollte die Käther aus Schwabeck seit der Zeit nicht mehr aus dem Kopf, und
er nahm sich fest vor, sein Glück bei ihr noch einmal zu versuchen.
Wart e bissele,
wart e bissele,
sitz e bissele nieder,
und wenn du e bissele g'sessen bist,
so komm und sag's dann wieder,
dachte er und stimmte ein Lied an; denn er wußte es wohl: Wenn man singt, kommt man um so geschwinder ans Ziel.
“Wo a kleins Hüttle steht,
ist a kleins Gütle;
wo a kleins Hüttle steht,
ist a kleins Gut.
Und wo viel Bube sind,
Mädle sind, Bube sind,
da ist's halt lieble,
da ist's halt gut.
Lieble ist's überall,
lieble auf Erden;
lieble ist's überall,
lustig im Mai.
Wenn es nur mögle wär,
z'mache wär, mögle wär,
mei müßt du werde,
mei müßt du sei.
Wenn zu mei'm Schätzerl kommst,
tu mer's schö grüße,
wenn zu mei'm Schätzerl kommst,
sag em viel Grüß.
Wenn es fragt, wie es geht,
wie es steht, wie es geht,
sag auf zwei Füßen,
sag auf zwei Füß.
Und wenn es freundle ist,
sag, ich sei g'storbe,
und wenn es lache tut,
sag, i hätt g'freit.
Wenn's aber weine tut,
traurig ist, klage tut,
sag, ich komm morge,
sag, i komm heut.
Mädle, trau nit so wohl,
du bist betroge.
Mädle, trau nit so wohl,
du bist in G'fahr.
Daß ich di gar nit mag,
nemme mag, gar nit mag,
sell ist erloge,
sell ist nit wahr."
Wie sie so weiterzogen in die Kreuz und Quer, kamen sie von ungefähr an der Klause eines
Waldbruders vorbei. Der saß gerade vor seiner Zelle und las. Sie riefen ihn an und baten ihn mit
herabgezogenem Käpple, wie's sich geziemt, er möchte ihnen den rechten Weg weisen. Das Buch aber,
das der Klausner da vor sich hatte, war ein Traktätlein contra facetias, Das heißt auf deutsch:
gegen die Faxen. Es war also nicht weiter verwunderlich, daß der ernsthafte Leser dieser noch weit
ernsthafteren Schrift unsere guten lustigen Sieben mit keinem freundlichen Gruß bedachte. Vor ihm
stand ja, wie ihn deuchte, das lebendige Konterfei von Faxenmachern!
“Ihr Landfahrer! Ihr Schalksnarren!" hub er an, als er sie erblickte, "wartet! Euch werde ich die
Schellen stimmen. Die Federn will ich euch beschneiden, ihr Fatzvögel und Fastnachtsbutzen!"
Der Seehas unterbrach seine Rede, um ihm zu erzählen, daß in dem großen Wald am Bodensee ein
fürchterliches Ungeheuer hause, aber der Klausner ließ ihn nicht zu Worte kommen, sondern schrie:
"Herrgott im Himmel! Was für Höll Lumpen hast du auf Erden! Da ziehen sieben Narren auf einmal im
Reich herum, zu Schand und Spott des Schwabenlandes! Gibt's denn nichts Nützlicheres zu tun für
solche Schlingel, wie ihr seid? Schert euch fort, ihr Scheurenpurzler! In den Stock mit euch, an
den Galgenbaum, ihr Vaganten, Komödianten!"
"Potz Blitz!" sagte der Allgäuer, und der Blitzschwab rief “Bygost!" So durcheinander waren sie
vor lauter Staunen. Dann aber machten sie rechtsum mit ihrem Wiesbaum. Der Blitzschwab stimmte
seine Fiedel und fing an, ein Liedlein zu singen, so laut, daß von dem weiteren Schelten des
Waldbruders nichts mehr zu hören war:
“Guten Morgen, Spielmann,
wo bleibst du so lang?
Da drunten, da droben,
da tanzen die Schwaben
mit der kleinen Killekeia,
mit der großen Kumkum.
Da kommen die Weiber
mit Sichel und Scheiben
und wollen den Schwaben
das Tanzen vertreiben
mit der kleinen Killekeia,
mit der großen Kumkum.
Da laufen die Schwaben
und fallen in'n Graben.
Da sprechen die Schwaben:
Liegt ein Spielmann begraben
mit der kleinen Killekeia,
mit der großen Kumkum.
Da laufen die Schwaben,
die Weiber nachtraben
bis über die Grenze
mit Sichel und Sense:
Guten Morgen, ihr Spielleut,
nun schneidet das Korn."
Es war schon Nacht, als die sieben Schwaben wieder auf die große Landstraße kamen. Der Mond ging
soeben auf, und der Spiegelschwab sagte: “Jetzt haben wir's gewonnen. Memmingen ist nicht mehr weit."
“Woher willst du das wissen?" fragte der Blitzschwab.
"Na, ich werd doch den Memminger Maun (Mond) kennen."
"Potz Blitz, wie blitzdumm!" rief der Blitzschwab. Aber da hatte er schon seine Tachtel vom
Spiegelschwaben weg; denn der konnte alles leiden, nur nicht, daß man ihn für dumm hielt. “Daß dir
der Blitz ins Maul platz", schrie der Blitzschwab, "du Lalle, du Ginkel, du Takel, du Kog!" Und so
ging es eine ganze Litanei durch. Der Spiegelschwab wurde auch immer wilder, und sie gerieten
einander in die Haare und rauften sich ab wie zwei Metzgerhunde. Da bat der Seehas den Allgäuer,
für Frieden zu sorgen. Der ließ sich nicht lange bitten, packte den Blitzschwaben am Hosenbändel
und hielt ihn in der Luft wie einen Frosch, er mochte zappeln, wie er wollte.
Inzwischen hörte der Spiegelschwab nicht auf, dem Blitzschwaben den Hintern zu klopfen. Deshalb
packte ihn der Allgäuer mit der Linken und hielt ihn am Leible unter der Gurgel so hart und fest,
daß er stockstarr dastehen mußte und nicht mucksen konnte.
"Bygost! Ich will euch Hores Mores lehren, ihr donnerschlächtigen Strohkerle!” wetterte der
Allgäuer und schüttelte den einen und drosselte den andern, bis sie endlich einander das Wort
gaben, daß sie wieder gut Freund sein wollten.
"Durch Memmingen gehen wir aber nicht, obwohl dort gute Würste zu haben sind", sagte der
Spiegelschwab nach einer Weile.
"Warum?" fragten die andern.
“Darum”, antwortete er nur, und er müsse sich doch wohl am besten auskennen. So beschlossen sie,
um die Mauern herum durch die Hopfengärten zu gehen. Doch ehe sich's der Spiegelschwab versah,
sprang aus einem Garten ein Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in einem Ton, der
durch Mark und Bein ging: “Bist du endlich wieder da, du Schlingel? Wo hast du so lange
herumkalfaktert, du Galgenstrick?"
Der Spiegelschwab erkannte an der Stimme sogleich seine liebe Ehehälfte, und er rief seinen
Gespanen zu: "Helft mir! Alle Heiligen! Der Teufel ist los!" und huschte in einen anderen
Hopfengarten hinein. Das Weib ihm nach. Da fiel ihm in seiner Herzensangst eine List ein. Er trug
ja das Bärenfell auf der Schulter, das sollte ihm nun einen guten Dienst tun. In Eile warf er es
sich über den Kopf, schlüpfte in die Pratzen und tapste und drehte sich auf allen vieren wie ein
leibhaftiger Bär. Als sein Weib näher kam, richtete er sich auf und trappelte brummend auf sie zu.
Da schrie die Frau laut auf und rannte Hals über Kopf davon. Der Bär aber holte sie ein und
drückte und herzte sie, daß ihr fast die Sinne vergingen. Dann ließ er sie los und lief den
Gesellen nach.
Die Memminger Frauen aber nannten seit dieser Zeit alle bösen Männer "Brummbären".
Die sechs anderen Schwaben waren indessen weitergegangen und standen bald vor einem Tor. Auf ihre
Frage, wie es heiße, erfuhren sie, es sei das Leutkircher.
“Da müssen wir hinaus", meinte der Nestelschwab; und sie gingen durch das Tor und kamen in die
Stadt hinein, ohne es zu wissen und zu wollen.
Daß aber kein Unglück ohne Glück ist, hat sich auch hier erwiesen; denn das erste Haus, das ihnen
auffiel, war ein Wirtshaus. Davor stand ein Maienbaum, und über der Tür war zu lesen: Hier schenkt
man Märzenbier aus.
An Geschenktem soll man nicht vorübergehen, dachten die Gespanen und beschlossen, das Märzenbier
zu probieren. Der Wirt, der sie kommen sah mit dem großen Spieß, lief ihnen erschrocken entgegen
und fragte, was ihr Begehr wäre.
"Wir möchten ein wenig Euer Bier kosten", sagte der Allgäuer und ging mit den Gesellen in die
Zechstube. Da glaubte der Wirt, sie seien abgesandt von der schwäbischen Kreisregierung, um im
Schwabenland das Bier zu beschauen und zu schätzen, ob es seinen Preis wert sei. Eifrig holte er
das beste, was er im Keller hatte, herauf; denn er wußte, auch dieses war eigentlich nicht gut
genug.
Aber die Gesellen tranken eine Bütsche nach der anderen aus. Als sie es auf einen halben Eimer
gebracht hatten, sagte der Wirt: "Ich sehe mit Freuden, daß es Euch wohl schmeckt."
“‘s könnte besser sein, bissele wenig Malz und Hopfen drin", meinte der Blitzschwab; und der
Wirt, der ein Schalk war, antwortete: "Mit Verlaub, Hopfen und Malz ist nicht zuwenig drin, aber
zuviel Wasser."
Darüber lachten die Gesellen; und dem Blitzschwaben fiel ein Spruch ein:
"Zu Langensalz
, s könnt' ebensogut Memmingen heißen", sagte er
,Zu Langensalz
braut man drei Bier aus einem Malz;
das erste heißet man den Kern,
das trinken die Bürgermeister gern;
das andre heißt das Mittelbier,
das setzt man gemeinen Leuten für,
das dritte heißt Covent,
trink doch, potz schlapperment!"
Darauf spielte er ein paar lustige Stücklein, dem Wirt zu Ehren, und dann standen die Gesellen auf
und gingen davon, als wären sie niemand etwas schuldig.
Der Wirt ließ sie auch gehen. Er sagte, es sei ihm eine große Ehre gewesen, und bat sie, nur das
beste von seinem Bier zu reden. Das taten sie; denn sie konnten sich nicht genug darüber wundern,
daß man in Mernmingen das Märzenbier verschenke. Und so wurde der Wirt von den Sieben gefoppt ohne
ihr Wissen und Wollen. Es wird aber erzählt und es ist ja bekannt, daß man den Wirten gern Böses
nachsagt der Freitrunk sei ihm noch gut bezahlt worden von den anderen Landsleuten.
Wenn auch ein wackerer Schwabe seine fünf Mäßle Bier trinken kann, ohne danach Weg und Steg zu
verfehlen, zeigte es sich doch bald: Die Gespanen hatten zu tief in den Krug geguckt. Kaum waren
sie zum Tore hinaus, da kamen sie von der Landstraße ab und verirrten sich in den Hopfengärten.
Es war also kein Wunder, daß der Spiegelschwab sie vergebens einzuholen suchte auf dem Wege nach
Leutkirch. Die Sechs erreichten schließlich das freie Feld, und der Allgäuer sagte: “Bygost!
Haben wir keinen Weg, so machen wir uns einen. Die Iller werden wir schon finden, und dann kann
die Brücke auch nicht mehr weit sein."
So ging es denn fort über das Brachfeld hopp, hopp! Der Allgäuer blies, der Blitzschwab sang:
"Ich laß ein klein Waldvögelein.. .", der Knöpfleschwab keuchte und stolperte und fiel ein um das
andere Mal und mußte doch wieder aufstehen. Inzwischen fing es an, dunkel zu werden. Da standen
sie auf einmal an einem Abhang, und unten, so deuchte es sie, lag ein See, der wogte und Wellen
schlug.
"Potz Blitz!" rief der Blitzschwab, “was ist da zu machen? Durch müssen wir, sonst kommen wir
nicht an Ort und Stelle. Allgäuer, mach den großen Christoph und trag uns hinüber."
"Bygost!" erwiderte der, “ins Wasser mag ich wohl gehen, aber nicht weiter als bis an den Hals."
Der Nestelschwab lamentierte, er könne nur mit einer Hand rudern, weil er mit der andern die Hosen
halten müsse, und der Knöpfleschwab stand betrübt da und lugte ins Wasser hinab, um zu ergründen,
ob auch keine Walfische drin wären. Das bemerkte der Blitzschwab. Er ging ganz langsam hinterrücks
auf ihn zu und sagte: “Frisch gewagt ist halb geschwommen." Damit gab er ihm einen Stoß, und
plumps lag der Knöpfleschwab drunten.
“Der sinkt nicht!" rief der Gelbfüßler. "Es scheint doch nicht so tief zu sein! Da kann man's
wagen." Und er hupfte flink wie ein Laubfrosch hinunter. Der Blitzschwab spie sich in die Hände,
nahm einen tüchtigen Anlauf und folgte. Da dachte der Allgäuer: Bygost! Der letzte will ich auch
nicht sein; und er warf den Spieß voraus und sprang hinterher. Indessen hatte der Nestelschwab
etwas sehr Gescheites getan. Er hatte sich nämlich an die Hosenbändel des Allgäuers gehängt und
fiel deshalb gemächlicher als die übrigen unten auf. Da lagen sie nun alle neben und übereinander
wie die Holzblöcke. Bald aber rührten und streckten sie ihre Glieder. Wie Schnecken aus ihrem
Häusle krochen sie aus dem blühenden blauen Flachs, den sie für einen See gehalten hatten, bis sie
endlich wieder dastanden wie andere Menschen. Sie sagten kein Wörtle, sondern befühlten bloß ihre
Rippen, ob sie noch ganz wären. Danach fischten sie den Spieß auf und zogen querfeldein weiter.
Es war schon finstere Nacht, und sie irrten immer noch umher. Plötzlich rief der Allgäuer:
"Bygost! Nun haben wir die Straße gefunden und sind auf dem rechten Weg." Sie standen aber an der
Iller, und der Allgäuer hatte den hell leuchtenden Wasserstreifen für die Landstraße angesehen.
Frisch schritt er drauf los, und die anderen zogen ihm nach. Da lag er plumps! im Fluß.
"Bygost! Ich ersauf!" Mehr konnte er nicht sagen; denn er war schon bis über den Hals im Wasser.
Die Gespanen sprangen schreiend davon, um sich zu retten. Nur der Knöpfleschwab blieb und half.
Er hatte sich nämlich, um nicht dauernd zu stolpern und zu fallen, mit einem Bändel an den
Wiesbaum angeschirrt. Darum konnte er nicht loskommen und blieb, so dick und breit er war, auf
demselben Fleck stehen. So konnte der Allgäuer sich langsam wieder aus dem Fluß herausarbeiten.
Ohne den Knöpfleschwaben wäre er sicherlich hingewesen mitsamt dem mächtigen Spieß.
Auf das mörderische Geschrei, das die Gesellen erhoben, kam auch der Spiegelschwab herbei, der an
der Brücke auf sie gewartet hatte; und weil er alle Wege und Stege in der Gegend wußte, führte er
sie auf die rechte Straße und in ein Nachtquartier.
Am andern Morgen zogen die sieben Schwaben in guter Laune weiter. Sie unterhielten sich über die
Abenteuer, die sie bestanden hatten, und lachten einander wacker aus. Als sie an der Kronburg
vorbeikamen, guckte eben der Junker von und auf Kronburg aus dem Fenster und sah die Gespanen
vorüberziehen. Da rief er seinen Schergen und befahl: “Lug einmal, was das für Leute sind! Es
werden wohl Landfahrer sein oder sonst so eine Bagasche." Der Scherg nahm sieben Bullenbeißer mit
und stieg den Berg hinab den Schwaben entgegen. “Folgt mir ohne Umschweif", sagte er; und die
Hunde bleckten die Zähne. Man muß wohl der Obrigkeit Gehorsam leisten, dachten die sieben Schwaben. Der Knöpfleschwab allein war saumselig und mußte ein paarmal zur Pflicht gehetzt werden.
Wie sie vor dem Junker erschienen, fragte der sie: "Woher? Wohin? Wie? Und warum?" Und der Seehas
erzählte: "Habt Ihr nicht gehört, daß in der Gegend am Bodensee ein schreckliches Tier haust? Um
das Land von dem Ungeheuer zu befreien, haben wir uns als brave Landsleute und biedere Männer aus
allen schwäbischen Gauen zusammengetan."
Das glaubte ihm aber der Junker nicht, sondern er blieb bei seiner Meinung, sie seien Strolche und
Diebsgesindel, und ließ sie in die Keuche stecken.
"So geht es in Schnitzlebutz Häusle,
da singen und tanzen die Mäusle
und bellen die Schnecken im Häusle"
sang der Blitzschwab nun in der Keuche, aber ganz leise wie ein Mäusle.
Wie die Geschichte erzählt, hatte der Junker von und auf Kronburg tags zuvor, als ihn das
Zipperlein plagte, den Entschluß gefaßt, zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im
schwäbischen Kreis sowie zur Förderung der Aufklärung und Sittlichkeit unter dem gemeinen Volk ein
Zuchthaus zu stiften und in seinem Schlosse einzurichten. Und weil ihm der Kopf noch voll war von
diesem Plan, sah er die sieben ehrlichen Schwaben sogleich als Spitzbuben an und ließ sie
einstecken. Ansonsten war er ein gar niederträchtiger, frommer und milder Herr, der sogar seinen
eigenen Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben nötig hatte, sich selbst warm zu kleiden. Und
so befahl er denn, den Gefangenen Nahrung zu reichen, soweit sie derer bedurften.
Der Spiegelschwab kannte den Junker gut und wußte auch, daß Schmalhans bei ihm in Küche und Keller
hauste. Er legte seinen Plan darauf an und teilte ihn seinen Gespanen mit. Als nun der Scherg
mittags eine große Pfanne voll Milchspätzle brachte, sagte der Blitzschwab zum Knöpfleschwaben:
“Die ist gewiß für dich."
Der Scherg meinte, das sei für alle genug. Aber der Knöpfleschwab entgegnete treuherzig: "Ich will
lugen, ob's für mich langt." Und er aß die Pfanne sogleich vor den Augen des Schergen leer, so daß
kein einziges Spätzle blieb, und scharrte auch noch die Krümel fein säuberlich zusammen, als hätt's
ein Hund ausgeschleckt.
Das hinterbrachte der Scherg seinem Herrn. “Für diese Fresser müßte man gleich einen Kessel voll
Spätzle auf einmal kochen. Ich wette, das würde auch noch nicht für sie reichen", sagte er.
Da ging der Junker von und auf Kronburg in sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und der
Menschheit kein so großes Opfer schuldig, daß er sich einiger Strolche wegen müßte aushungern
lassen. Deshalb befahl er, die Sieben sogleich in Freiheit zu setzen. Doch gab er ihnen
wohlweislich einen Steckbrief mit, um andere Leute pflichtschuldigst vor ihnen zu warnen.
Bei einem Dorf stießen die sieben Schwaben auf eine Viehherde. Ochsen, Küh und Kälber, Rosse und
Fohlen, Schafe und Böcke liefen da durcheinander schier wie die schwäbischen Herrschaften.
Der Allgäuer fühlte sich unter den Tieren so recht zu Haus. Er zog die Gespanen, sie mochten
wollen oder nicht hüh und hott mitten durch die Herde. Das schien den Stier zu verdrießen, und
er schritt brummend und schwänzelnd auf die sieben Schwaben los. Die nahmen sogleich Reißaus und
liefen, was sie laufen konnten, bis an den nahen Zaun. Sie schwangen sich hinauf und hielten sich
an den Latten fest, so daß es aussah, als nisteten Wiedehopfe darauf. Nur der Allgäuer räumte das
Feld nicht; denn er war ein ganzer Kerl, wenn er es mit Rindviechern zu tun hatte.
Er ließ den Stier ganz ruhig auf sich zu kommen, und mir nichts, dir nichts hatte er ihn bald am
Kragen, bald beim Schwanz und zog und wurde gezogen, je nachdem, ob er oder der Stier gerade Herr
und Meister war.
Dies Schauspiel dauerte eine Weile, und die Wiedehopfe auf dem Zaun lugten zu und hatten ihre
Gaudi an dem Mut und der Geschicklichkeit des Allgäuers. Unterdessen näherte sich das Gefecht
aber immer mehr dem Zaun, und weil der Stier seinen Vorteil nicht sah, hatte der Allgäuer Zeit,
sich zu ducken und durch den Zaun zu schlüpfen; sonst wäre er gespießt worden. Da rannte der Stier
voller Zorn hier und dort gegen die Latten an, und wo er anstieß, fiel ein Schwab herunter. Das
gab ein Geschrei um Schutz und Hilfe!
Der Allgäuer, der sich ihrer erbarmen wollte, stieg über den Zaun und ging noch einmal auf den
Brummer los, und er schimpfte so lange mit ihm, bis die Gespanen sich hinter den Zaun gerettet
hatten. Dann nahm auch er wieder Reißaus; und er und der Stier sahen sich über den Zaun noch
lange an. Endlich machte der Vierbeinige den Gescheiteren und ging davon. Da holte der Allgäuer
den Spieß, und die sieben Schwaben zogen wieder fürbaß.
Der Seehas aber dachte: Wenn der es allein mit einem Stier aufnimmt, kann's uns gar nicht fehlen;
denn wir sind ja unser sieben!
Als sie dann durch das Dorf gingen, schlug es gerade drei. Der Nestelschwab zählte die Schläge:
“Bum, bum, bum."
"Na, wieviel ist es?" fragten die anderen, nachdem die Uhr ausgeschlagen hatte.
"Ich habe es nicht zusammengerechnet" antwortete der Nestelschwab und schaute sie treuherzig an.
Alle wußten, daß er gut und sanft wie ein Lamm war, darum foppten sie ihn besonders gern. Und so
fragte der BIitzschwab nach einer Weile: "Sag, Nestelschwab, kannst du auch fluchen?" Und er
feuerte ihn an, mal einen recht saftigen, höllischen Fluch zu tun. Da nahm der Nestelschwab die
Kappe ab und sagte: "Mit Verlaub, daß dich das Mäusle beiß!" Das war der stärkste Fluch, den er
wußte. Der Blitzschwab hätte ihn schon kräftigere Stoßseufzer dieser Art lehren können, doch
wollen wir lieber davon schweigen, um das Ohr des Lesers nicht zu verärgern.
In der Herberge, wo die sieben Schwaben diesmal übernachteten, trafen sie einen fahrenden Schüler
an. Auf ihre Frage, was er für ein Landsmann sei und was er auf Reisen tue, antwortete er: “Ich
heiße Adolphus und bin ein geborner Schwab. Aber ich habe viele Jahre im Norden gelebt und
studiert. Nun ziehe ich im Süden umher, um die bekannten Schwabenstreiche zu sammeln, die ich
dann drucken lassen will.”
“Dann kommt nur mit uns. Da könnt Ihr von diesen Geschichten mehr als genug erfahren", sagte der
Seehas. Der Spiegelschwab aber raunte dem Allgäuer ins Ohr, er solle den Wißbegierigen nur gleich
die Streiche fühlen lassen. Jedoch der Allgäuer meinte, man müsse die Gelegenheit nicht vom Zaune
brechen, sie werde sich schon finden.
Und sie fand sich auch. Nachdem sie alle zu Nacht gegessen hatten, legten sie sich auf die Streu,
und der Student Adolphus sagte vor dem Einschlafen zum Allgäuer: "Erschreckt nicht, wenn ich des
Nachts mit der Faust um mich schlage, das ist bloß eine Disputation und hat nichts zu bedeuten."
Der Allgäuer meinte: "Disputieren ist ja nichts Unrechtes. Das mach ich auch oft im Traum mit
meinen Ochsen, wenn sie nicht vorwärts wollen."
In der Nacht kam wirklich dem Studenten Adolphus das Disputieren in den Kopf und in die Faust; und
er gebärdete sich so hitzig, daß er dem Allgäuer auf die Nase schlug. Der erwachte und dachte:
Bygost, der Student hat schwere Träume! Ich muß sie ihm wohl vertreiben, wenn ich Ruhe haben will.
Und er schnalzte lustig auf den Studenten Adolphus los: "Hott, Bräunle! Wist, Bläßle! Jhi, hott,
wist! " Dabei hieb er in die Kreuz und die Quer. Der Student Adolphus schrie Zeter und Mordio.
Aber der Allgäuer tat, als ob er weiterträume, und trieb die Ochsen noch mehr an.
In seiner Höllenangst wußte der Student Adolphus nicht woher und wohin; und er riß ein Fenster
auf und sprang hinaus in den Garten. So erfuhr er die Schwabenstreiche am eigenen Leib, und es
bleibt nur die Frage, ob er sie auch getreulich in sein Buch eingetragen hat.
Nun kamen aber unsere Sieben immer näher an den Ort, wo sie das halsbrecherische Abenteuer
bestehen sollten, und sie wurden von Stund zu Stund däsiger und ließen den Kopf hängen wie Schafe,
die man zum Metzger führt.
Besonders traurig gebärdete sich der Blitzschwab; denn er ächzte und wehleidete, als hätte er das
Bauchgrimmen. Und wenn er gemocht hätte, würde er wohl gesungen haben:
Ich weiß nit, wie mir ist!
Ich bin nit krank und bin nit g'sund,
ich bin blessiert und hab kein Wund.
Ach, er dachte immer wieder an das Kätherle aus Schwabeck. Weil er nicht bei ihr sein konnte, war
ihm das Herz schwer. Wie die andern den Imbiß zu sich nahmen, aß er nichts; und als sie aufstanden
und weitergehen wollten, blieb er hocken, legte den Kopf in die Hände und heinte. Der
Spiegelschwab, der sein Freund war, fragte ihn, was ihm fehle.
"Laß mich!" antwortete er und fing laut an zu flarren. Sein Freund aber setzte sich zu ihm und
tröstete ihn und ließ nicht ab vom Fragen, bis jener unter lautem Schluchzen hervorstieß:
“‘s Kätherle!"
Nun wußte der Spiegelschwab, wie er dran war, und er redete ihm freundlich zu und sagte: "Sei kein
Weiberknecht!"
Während sie so beieinander saßen, ging gerade der Augsburger Bote vorbei, der die Moysche Ordinari
Postzeitung durch das Land trug.
"Mit dem geh ich. Ich laß mich nicht halten. Ich will und muß fort! " sagte der Blitzschwab, als
er den Boten erblickte.
Der Spiegelschwab hielt den Mann an: "Landsmann!" Der Bote: "He!" Der Spiegelschwab: “Kennst du
das Kätherle aus der Grafschaft Schwabeck?" Der Bote: "Mein wohl, sie ist ja das schönste Mädle
im ganzen Land."
Und darauf der Spiegelschwab: “Nu, so sag ihr, ich laß sie grüßen, und wenn sie einen Rotzer zum
Mann haben will, so soll sie den da nehmen!"
"Potz Blitz!" rief der Blitzschwab und sprang auf. "Halt's Maul, Bot, und lüg nicht, du. . ."
Damit hatte er den Boten schon an der Gurgel gepackt. “Um aller Heiligen willen", schnaufte der,
ich will ja gern das Maul halten, sagt mir nur, was ich ihr ausrichten soll."
“Erstens”, sprach der Blitzschwab, "sagst du ihr, daß ich ein braver, rechtschaffener Kerl bin;
zweitens, daß ich bald zu ihr komm, und drittens sagst du, daß ich sie grüßen lasse." Darauf
drückte er dem Boten einen Albus in die Hand, und der versprach, alles ordentlich zu bestellen.
Der Blitzschwab aber begann leise zu singen:
“Ich weiß nicht, wie mir ist!
Ich hab erst heut den Doktor gefragt,
der hat mir's unters G'sicht gesagt:
Ich weiß wohl, was dir ist,
ein Narr bist du gewiß.
Nun weiß ich, wie mir ist."
Vor Markdorf saß ein altes Mütterle am Brunnen, das lugte so vor sich hin, und als die sieben
Schwaben vorbeigingen, sah sie auf und rief plötzlich: "Rudeli, liebs Sühnli!" Und der
Nestelschwab antwortete: "Mämmeli, do bin i jo! "
“Wo bisch denn so lange Zit gsin?"
“In der Welt!" sagte er und griff in die Tasche und gab ihr ein Zipfele Wurst hin, das er sich
unterwegs vom Mund abgespart hatte.
"Luser, wie sieht's auf dinem Grind us?" rief die Mutter. Und Rudeli legte sich brav nieder und
tat seinen Kopf in ihren Schoß, damit die Mutter sein Haar strählen konnte. Als sie damit fertig
war, bat sie ihn, nun bei ihr zu bleiben. Rudeli schaute fragend den Seehasen an. Der schüttelte
den Kopf. Da sagte der Nestelschwab: “Mutterl, wart hier auf mi. I muß vorerst noch Taten tun.
Dann geh i mit dir z'ruck ins Schwyzerland."
"Rudeli, liebs Rudeli", bat die Mutter noch einmal. Aber der Sohn blieb dabei, daß er Taten
vollbringen müsse, und ging mit den Gesellen weiter.
“Ja, bist du denn ein Schweizer?" fragte ihn der Seehas.
“Meine Mutter ist aus der Schweiz. Sie hat als Marketenderin gedient", antwortete der Nestelschwab
und schaute sich noch einmal um.
Als die sieben Schwaben endlich eines großen, großen Wassers ansichtig wurden, sagte der Seehas
zu seinen Gespanen: "Das ist der Bodensee." Die blieben stehen, rissen Augen und Maul auf und
lugten und lugten.
"Bygost!" rief der Allgäuer, das ist eine Lache, so groß, man könnte den Gründten drin ersäufen."
Der Spiegelschwab wies auf die Schiffe in der Ferne und fragte den Seehasen, ob das Wildenten
seien, die man dort sehe. Der Gelbfüßler wollte wissen, ob auf der anderen Seite drüben auch Leute
wohnten wie diesseits.
So fragte einer nach dem andern dies und jenes, und der Seehas erzählte: “Dies ist das deutsche
Meer, müßt ihr wissen, es hat einen Umfang von wenigstens hundert Meilen und gar keinen Grund und
Boden. Darum heißt es eben auch der Bodensee, wie leicht zu begreifen ist. Ja, und bei stillem,
hellem Wetter sieht man versunkene Städte und Schlösser drin und ganze Landschaften. Und Fische,
sag ich euch, gibt's in dem See, die sind so groß wie das Kostnitzer Münster! Da lasse ich nichts
abmarkten. Auch Nixen gibt es eine Menge, zu Land und zu Wasser. Sehen müßt ihr's, wenn der See
stürmisch ist, da wirft er Wellen ich übertreibe nicht so hoch wie der Säntis!”
Er könnte der Wunderdinge noch viel erzählen, sagte er, aber wer's nicht selbst sehe, der glaube
es ja doch nicht. “Potz Blitz!" rief der Blitzschwab ein um das andere Mal. Aber die anderen
sagten kein Wörtle.
Nachdem sie sich nun schier die Augen ausgelugt hatten, zogen sie weiter, an Überlingen vorbei
und auf den Wald zu, wo das Ungeheuer hausen sollte. Um sich die bösen Gedanken auf dem Wege zu
vertreiben, stimmte der Blitzschwab das schwäbische Wallfahrtslied an, und alle sangen:
“Jetzt stellen die Bauern ein'n Kreuzgang an,
zu dem muß kommen jedermann.
Es läuten schon die Glocken ein,
der Pfarrer will nicht der letzte sein.
Der legt ein zottlets Hemed an,
unten und oben Zwickele dran.
Man trägt eine große Stang voraus,
zuoberst hängt ein Fahnen heraus.
Man sagt uns viel vom ewigen Leben
und noch viel mehr vom Steuerngeben.
Da geht man um den Altar herum,
daß keiner z'spät zum Opfer kumm.
Beim ‚Roten Bären' kehrt man ein,
es muß auch recht g'soffen sein.
Der Pfarrer geht da hinten drein
und schenkt mit dem Weihwedel ein.
Der Kreuzgang sich dem Dorf zuwend't,
jetzt hat die Prozession ein End."
Ehe sie aber in den Strauß gingen, wollten sie noch eine Herz und Magenstärkung zu sich nehmen;
und der Knöpfleschwab sparte weder Schmalz noch Salz, um das Henkersmahl recht appetitlich zu
machen.
Als sie nun so um die Pfanne herum saßen und sich die gerösteten Spätzle schmecken ließen, holte
der Allgäuer einen Seufzer bis aus dem kleinen Zeh herauf und sagte: “'s ist ein Sach, wenn man
bei sich so recht bedenkt, daß man vielleicht zum letzten Mal in seinem Leben zu Mittag ißt!"
Das Wort fiel dem Blitzschwaben schwer auf das Herz. Er tat auch einen Seufzer und sagte:
"O Kätherle!" Und dann sang er gar kläglich und herzbewegend vor sich hin:
“Soll ich denn sterben,
bin noch so jung, so jung!
Wenn es mein Mädle wüßt,
daß ich schon sterben müßt,
sie tät sich grämen
mit mir ins Grab."
Der Seehas redete ihnen Mut zu: "Liebe Leute, bedenkt: Tod hilft aus aller Not. Wer im Grab liegt,
der ist wohl gebettet."
"Aber nicht, wer im Rachen des vermaledeiten Tieres zappelt", sagte der Gelbfüßler, “doch wir
wissen ja gar nicht, ob unser Stündle schon gekommen ist!"
Dazu meinte der Nestelschwab: “Meine Mutter hat oft gesagt, daß mein Stündle nie kommen werde",
und er war noch der einzige, der sich das Sterben nicht zu Herzen gehen ließ. Aber der Allgäuer
lugte immer finsterer drein, ließ den Kopf immer tiefer hängen und seufzte in einem fort: "'s ist
e Sach!" Da fing der Knöpfleschwab an, still vor sich hin zu heinen; und als der Allgäuer abermals
einen Seufzer aus der Tiefe holte und in herzbrechender Weise sagte: "'s ist e Sach!" begannen
alle zu flarren und zu röhren. Nur der Spiegelschwab wußte nicht recht, ob er lachen oder weinen
sollte. Er sah nämlich, wie sich der Knöpfleschwab anstrengte, zugleich das Herz zu leeren und das
Maul zu stopfen, wobei er ein Gesicht machte wie ein Kinderschreck.
Indessen rückte die Zeit voran, und die sieben Schwaben mußten sich in der richtigen
Schlachtordnung aufstellen. Der Seehas meinte, sie sollten in der gleichen Reihe wie bisher
bleiben, und auch der Knöpfleschwab wollte keine Neuerung. Aber der Allgäuer sagte, er wolle jetzt
einmal der letzte sein, denn er sei lang genug der erste gewesen.
"Kurasche", rief der Blitzschwab, “hab ich genug im Leib, das könnt ihr mir glauben! Aber ich habe
nicht genug Leib für die Kurasche und die Bestie!"
“Warum muß einer der erste und einer der letzte sein! Laßt uns doch alle schön in der Mitte
bleiben, dann geschieht keinem ein Weh", schlug der Nestelschwab vor.
“Und ich denke", sagte der Spiegelschwab, “daß es am allerbesten ist, wenn einer für alle stirbt.
Knöpfleschwab, was meinst? Du wärst so der rechte Bissen!" Der aber schrie und stampfte und
zappelte mit allen vieren, als hätte ihn das Untier schon erwischt.
Da nahm der Seehas noch einmal das Wort. “Liebe Freunde und Landsleute! Frisch gezuckt ist halb
gefochten. Es ist nichts besser als ein guter Mut in bösen Sachen! Das gute Herz sieget in allem
Übel. Verzagt Mann kam mit Ehren nie vom Plan", predigte er. Darauf wandte er sich an den
Gelbfüßler und sagte: "Gang Jackele, gang du voran, du hast Sporen und Stiefele an, daß dich das
Tier nicht beißen kann." Und der Gelbfüßler ließ sich dazu bewegen. Er dachte: Entweder läuft das
Tier davon, dann laufe ich ihm nach, oder es läuft mir nach, dann lauf ich davon, und so kriegen
wir uns beide nicht unser Leben lang.
So zogen denn die sieben Schwaben in den Strauß, hübsch langsam voran, gegen den Busch zu, wo, wie
der Seehas sagte, der Drach sein Nest hatte. Als sie schon ganz nahe waren, sagte der Spiegelschwab
plötzlich: "Mich grimmt's im Bauch, ich muß abseiten." Doch der Allgäuer wollte es nicht leiden.
"Mit den andern mitgemacht und nichts Apartes!" schrie er, worauf der Spiegelschwab kleinlaut
versetzte: “Ich will ja nur spionieren gehen, wo das Tier steckt. "
“Bleib, sag ich. Laß es stecken, wo es steckt!" entgegnete der Allgäuer, und der Seehas rief:
“Jetzt seid still und haltet's Maul! Lugt und lost!"
Schritt für Schritt und ganz langsam drangen sie weiter gegen den Busch vor. Und wie sie nun so
lugen und losen, siehe, da liegt ein Has im Busch, der lugt und lost auch und macht ein Männle
und erschrickt und läuft davon!
Die sieben Schwaben blieben stehen wie erstarrt. “Hast's gesehn? Hast's gesehn?" rief einer dem
andern zu. Der erste meinte: "Es war so groß wie ein Pudelhund", der zweite: “Wie ein Mastochs",
der dritte: “Wie ein Trampeltier!" Aber der Allgäuer sagte zuletzt: "Bygost! Wenn das kein Hase
gewesen ist, weiß ich den Gründten von keinem Büchel zu unterscheiden."
“Nun ja, Has hin, Has her", sagte der Seehas. "Ein Seehase ist halt größer und grimmiger als alle
anderen Hasen im deutschen Reich." Und damit hat er recht gehabt. Allerdings scheint diese
Tierart inzwischen ausgestorben zu sein wie die Mammuts.
Nachdem die sieben Schwaben das Abenteuer glücklich überstanden hatten, wären sie bald einander in
die Haare geraten wegen des Siegeszeichens. Der Seehas meinte nämlich, das Bärenfell gehöre
ihm, da er sie doch alle angeführt habe. Das wollten die andern nicht zugeben, und der Gelbfüßler
rief, ob er das Siegeszeichen verdiene oder nicht, darüber wolle er nicht streiten. Aber er habe
einmal an der Spitze gestanden, und mithin -
"Und ich bin an der Spitze gegangen", sagte der Allgäuer, "und bygost! Ich will den sehen, der
es mir nimmt."
Nachdem sie so lange Zeit gehadert hatten, nahm der Seehas das Wort und sagte: “Liebe Landsleute
und Freunde! Die Welt wird einmal voll sein von unserer Tat, und darum ist es nötig, daß ein
Siegeszeichen vorhanden bleibt für ewige Zeiten. Weil wir nun aber dem Seehasen selbst die Haut
nicht abziehen konnten, sintemal wir ihn nicht erwischt, sondern fortgejagt haben aus unserem Land,
wollen wir statt seiner die Bärenhaut samt dem Spieß ausstellen in meiner Vaterstadt Überlingen,
in deren Nähe die Tat vollbracht worden ist. Seid ihr damit einverstanden, so hebt den Finger auf
und saget ‚ja'."
Da hoben alle den Finger und sprachen: “Ja." Auch der Allgäuer sagte nicht nein und gab die
Bärenhaut her. Die steckten sie nun an den Spieß und zogen so in Frieden und Freuden in
Überlingen ein und gingen ins Wirtshaus ,Zum goldnen Kreuz", um ihren Leib mit Seewein zu laben.
Es gibt aber drei Gattungen von Seewein. Die erste und beste heißt Sauerampfer, schmeckt etwas besser als Essig und verzieht einem das Maul nur ein bißle. Die zweite heißt Dreimännerwein, ist schon räßer und saurer als Essig und hat diesen Namen, weil eigentlich zwei Männer den, der den Wein trinkt, festhalten müßten, während ein dritter ihm den Trank in den Hals gießt. Die dritte Sorte ist der Rachenputzer. Der hat die gute Eigenschaft, daß er Schleim und alles abführt. Wer sich aber mit diesem Wein im Leib schlafen legt, soll nicht versäumen, sich in der Nacht wecken zu lassen damit er sich umdrehen kann; denn sonst könnte ihm der Rachenputzer ein Loch in den Magen fressen!
Als die Gesellen in die Wirtsstube kamen und sieben Schöpple verlangten, fragte der Wirt, was sie für einen wollten, und nannte die Weine bei ihrem Namen. “Potz Blitz!" sagte der Blitzschwab. "Ehrlichen Schwaben setzt man keinen Sauerampfer vor."
Der Wirt brachte also sieben Rachenputzer vom extrafeinen und die sieben Schwaben zechten redlich, schwangen fleißig die Schöpple und tranken lustig fort bis in die späte Nacht. Da wollte selbst dem Blitzschwaben kein Liedlein mehr gelingen, und er sang zum Schluß:
“Mein Gesang will nicht mehr klingen,
hapus, hapus, gute Nacht!"
Am nächsten Morgen traten die sieben Abenteurer frisch und fröhlich den Heimweg an.
Was aus den Gespanen weiter geworden, kann in diesem Büchlein nicht mehr erzählt werden. Doch sei noch in Kürze gemeldet, daß der Spruch der Zigeunerin bei dem Blitzschwaben nicht wahr geworden ist; denn gerade das Gegenteil ist geschehen. Er hat das Kätherle aus Schwabeck zur Frau genommen, und sie haben viele Kinder bekommen und ein langes, langes Leben geführt in Fried und Einigkeit. Und der dies geschrieben, stammt von ihnen her, und sie sind seine Guk Guk Ähnle gewesen.
Aus: “Fortunat und seine Söhne”, sieben Volksbücher, Der Kinderbuchverlag Berlin, 1963
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